Wednesday 14 December 2016

Die deutsche Werbeagentur





Zur Abwechslung mal ein Post auf Deutsch... aus gegebenem Anlass, etwas über Werbeagenturen.


Ich hatte das (Un-)Glück einige Zeit in ener Werbeagentur als Texter zu arbeiten. Ja in ener sehr großen, internationalen, die für viele bekannte Marken arbeitet. Deren Spots man jeden Abend im TV sehen kann. Viel gelernt - wie entsteht ein Werbefilm zum Beispiel, von der Idee zum Storyboard zum Dreh, zur Post-Production. Viel über Marktforschung, Fokusgruppen, Strategie.

Aber vor allem viel über die Menschen, die in Werbeagenturen arbeiten. Und gerade darüber gibt es so viel Unwissen - vor allem in Deutschland, wo Menschen so wenig über die gesamte Kommunikationsbranche wissen. Was ist PR, was ist Werbung, was Marketing? Keine Ahnung, aber alles überdeckt von strinrunzelnder Mißbilligung. Die wollen uns doch nur reinlegen sagt, wie der Bauer 1920 auch noch 2016 der gebildeteFernsehzuschauer.

So herrscht natürlich auch ein völlig falsches Klischeebild von Leuten, die in der Werbung arbeiten: Glamourös und mit einer Aura- oh ja, aber auch eitel und oberflächlich. Und reich, sehr sehr reich. Mad Men hat Eindruck hinterlassen. Jeder Deutsche weiß jetzt Bescheid wie das läuft - und vergißt daß sich seit den 1950ern und vor allem seit den 80ern, sehr sehr viel verändert hat. Erst diese Woche hatte ich einen Twitter-Austausch mit jemandem, der mich belehrte, dass Werber alle auf Koks seien  und Ferrari fahren: "Alle die ich in der Werbung kenne, sind permanent zugekokste Hipster". Ja, man kennt sie - die Reichen und Schönen - aber ist zugleich selbstverständlich empört über das unmoralische Treiben.

Oh ihr naiven, klischeebegeisterten Deutschen! Wenn ihr wüßtet! Die allermeisten in der Werbung Arbeitenden sind nämlich nicht straight outta Mad Men in schicken Anzügen, sondern oft verkrachte Existenzen. Lange lange geisteswissenschafltiche Studien führten zu eben so langer Arbeitslosigkeit zum Beispiel, bis man durch Beziehungem den Job in der Agentur bekam. Falsche Anläufe - jemand sollte mal die Anzahl ehemaliger Sportlehrer in Agenturen publizieren! - Jobs als "fester Freier", "Freier" oder ähnliches sind an der Tagesordnung. Schlabbrige Jeans, selber gekochtes mitgebrachtes Mittagessen, abends der Fernseher, so sieht das Mitarbeiterleben aus. Und natürlich die Kollegen, inzestuöse Beziehungen von Menschen aus kleinen Städten, die wegen des Jobs in die große weite Welt gezogen sind und dort niemand kennen, klucken zusammen. Das führt zu Streit, Mobbing, aber auch zu Cliquen und Ehen. Die Atmosphäre ist gespannt und die Gänge (allerdings strahlend weiß und mit interessanten Design-Objekten ausgestattet) riechen nach Tütensuppe. Man macht viel gemeinsam. Wer das nicht mag, hat schlechte Karten.

Steht ein Pitch an, wird tatsächlich hart gearbeitet, oft durch die Nacht. Steht keiner an (meistens) herrscht gähnende Langeweile, die jeder durch Computerspiele etc. zu besänftigen sucht. Und dem Satz "Also bei uns ist voll Stress" - man will ja nicht wieder arbeitslos sein.

Alles in allem sind es meist armselige, unkreative Menschen die dort arbeiten. Und es ist ja nicht alles Kreation - weit wichtiger ist die Kundenbetreuung. Das sind hochorgansierte aber recht langweilige Menschen, die früher Chefsekretärin gewesen wären, aber jetzt (weil sie ihr BWL-Studium nur mittelmäßig abgeschloosen haben) nicht in der Industrie, sondern auf Agenturseite landen. Wesentlich schlechter bezahlt.

Also nix mit Koks, nix mit Ferrari - sondern was mit Kleinbürgern, provinziellem Stolz auf sich selber (nicht mehr arbeitslos, sondern kreativ!) und viel klischeehafter Mythenbildung. Viel mit Ressentiment, viel mit trübseligem, trotzigem Linksdenken: Man will ja nicht sein wie der ewig betrunkene NPD-Vater, der auf dem Sofa in der Küche die Bildzeitung las.

Aber natürlich hat man Dünkel und Anspruch - gespeist dadurch, daß das Publikum denkt man fährt Ferrari. So internalisert dann auch der verkrachte Kleinbürger das klischeehafte Image, von dem er selbst weiß wie falsch es ist.

All das nur ein bißchen als Hintergrund zum Fall Hensel und seiner Agentur.

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